Europas Mobilitätswende und Lateinamerikas Rohstoffe

Wie Lithiumabbau indigene Gemeinschaften und die Umwelt bedroht

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Weg von Verbrennungsmotoren hin zur umweltfreundlichen Elektromobilität – die Energiewende in Deutschland und Europa wird vorangetrieben und ist auch notwendig. Doch ist E-Mobilität der richtige Weg? Was bedeutet Lithiumabbau für die in den Abbaugebieten lebende Bevölkerung und die Umwelt? Diesen Fragen gingen drei Referenten in einer Online-Veranstaltung der NaturFreunde Deutschlands und dem Ayni – Verein für Ressourcengerechtigkeit e.V. – zur Ressourcengerechtigkeit am 24. November nach.

Das Dreiländereck Argentinien, Bolivien und Chile beherbergt vermutlich mehr als 60 Prozent des weltweiten Lithium-Vorkommens. In Zeiten der Mobilitäts- und Energiewende und der angestrebten Unabhängigkeit von fossilen Rohstoffen aus Russland wächst der Bedarf nach Lithium rasant, denn Lithium steckt in jeder Autobatterie.

Doch was in den Ländern des globalen Nordens als grüne und nachhaltige Alternative angepriesen wird, bedeutet für Menschen in den Abbaugebieten Umweltzerstörung und den teilweisen Verlust ihrer Lebensgrundlagen.

Tourismus – eine wichtige Einkommensquelle

Das begehrte Lithium lagert in den drei südamerikanischen Ländern unter andinen Salzseen. Die Salzseen sind einzigartige sensible Ökosysteme. Bewohnt werden diese Bergregionen mehrheitlich von quechua- und aymarasprachiger Bevölkerung. Sie lebt von der Landwirtschaft und vom Tourismus. Vor allem der Salar von Uyuni in Bolivien ist Anziehungspunkt für Reisende aus aller Welt. Rund 250.000 Gäste besuchen jährlich diese Region. Der Tourismusunternehmer Tomás Sivila aus Bolivien erklärt in seinem Vortrag, dass der Tourismus im Salar de Uyuni auf familiären Strukturen beruht. Er sagt: „Die Reisenden kommen in einfachen Familienherbergen unter. Während die Männer oft als Reiseleiter arbeiten, sind Frauen in der Gastronomie beschäftigt. Für die Familien sind diese Einkommensquellen neben der Landwirtschaft überlebenswichtig.“

Boliviens Pläne zum Lithiumabbau

Doch die bolivianische Regierung will – ebenso wie die Regierungen der südlichen Nachbarn Argentinien und Chile – am globalen Lithiumboom teilhaben. Oscar Choque, Fachpromotor für Ressourcengerechtigkeit, erläutert die Pläne der Regierung zum Lithiumabbau und zur Schaffung von Wertschöpfungsketten innerhalb Boliviens: „Der Ausbau verarbeitender Industrie ist ein richtiger Schritt für Bolivien, um sich in Zukunft von der Rolle des reinen Rohstofflieferanten zu emanzipieren. Doch indigene Bevölkerung hat wenig Teilhabe an den Regierungsprojekten. Am Salar de Uyuni sind neue Förderanlagen für Lithium geplant und dies wirkt sich negativ auf die Umwelt aus.“

Wasserverbrauch beim Lithiumabbau

Die wichtigste Ressource, die beim Abbau von Lithium verbraucht wird ist Wasser. Denn um an das weiße Gold zu kommen, muss das lithiumhaltige Salzwasser an die Oberfläche befördert werden und dort verdampfen. Um 1 Tonne Lithium zu gewinnen, müssen 2 Millionen Liter Wasser verdampfen. Welche Auswirkungen dies auf die Umwelt hat, ist wenig erforscht. Doch in Argentinien und Chile, die ebenfalls Lithium aus Salzseen gewinnen, gibt es bereits Beobachtungen zu den Auswirkungen. Ramon Balcazar von der zivilgesellschaftlichen Organisation Observatorio Plurinacional de Salares Andinos berichtet, dass die Region um die Salzseen immer trockener wird. Er gibt zu bedenken: „Das sensible und einzigartige Ökosystem der Salzseen kommt aus dem Gleichgewicht. Es ist ein Zusammenspiel von Klimawandel und Raubbau an der Natur.“ Mit dem Wasserverbrauch schwinden auch die Lebensgrundlagen der Bevölkerung, denn Wasser benötigen die Menschen für die Landwirtschaft und Tourismus braucht eine einigermaßen intakte Umwelt. Vor allem indigene Gemeinden in allen drei Ländern fürchten um ihre Lebensgrundlagen. Sie möchten nicht den Preis für die Energiewende der Industrieländer zahlen.

Kein grüner und verantwortungsvoller Bergbau ohne Einhaltung der Menschenrechte

Indigene Bevölkerung muss in die Debatte von Energie- und Mobilitätswende einbezogen werden. Dies ist eine der Forderungen von Vertreter*innen indigener Völker, die sie auf der Klimakonferenz (COP27) kürzlich an die Regierungen des globalen Nordens gerichtet haben. Sie fordern eine Wende hin zu tatsächlichen klimafreundlichen Lösungen ohne Raubbau an der Natur und die Einhaltung der Konvention der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) 169. Nach dieser Konvention müssen indigene Völker über jedweden Eingriff in ihre Territorien vorher konsultiert werden, was häufig nicht passiert.

Regierungen und Unternehmen sind in der Verantwortung zu handeln, zum Beispiel mit einem wirkungsvollen Lieferkettengesetz.